Skip to Main Content
Anwenderbericht

Wissenslücken schließen bei Entwicklungsmethoden im Maschinen- und Anlagenbau

Mit Mechatronic Concept Designer und Tecnomatix macht die Universität mechatronische Entwicklungsmethoden und die virtuelle Inbetriebnahme erlebbar und verbessert so Lehre und Industriekooperationen.

Bridging the gap between plant design methodology and implementation knowledge

Johannes Kepler University

Established in 1966, the Johannes Kepler University (JKU) offers 60 fields of study, providing a multidisciplinary and practical education that is in line with current demands from industry and society. A fully academic mechatronics engineering course was established as early as 1990, making JKU a pioneer in the field of mechatronics. The university enjoys a favorable international reputation for its fundamental and application-oriented research.

http://www.jku.at/imdp
Hauptsitz:
Linz, Austria
Produkte:
Mechatronics Concept Designer, NX, Tecnomatix

Teilen

In rein theoretischem Unterricht ist eine erfolgreiche Weitergabe von Wissen über die modellbasierte mechatronische Entwicklung … kaum zu erreichen. Um die Wissenslücke zwischen theoretischer Wissenschaft und anwendungsorientierter Lehre zu schließen, entwickelten wir mithilfe von Siemens-Produkten einen Mechatronic Design Demonstrator (MecDes), der Studierenden die Umsetzung des Gelernten in der Praxis ermöglicht.
Dr. Peter Hehenberger, Ehemaliger Stellvertretender Leiter Institute of Mechatronic Design and Production
Johannes Kepler Universität

Wissenstransfer von Forschung zu Lehre

Maschinen- und Anlagenbau sind mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, etwa steigende Komplexität und immer kürzere Innovationszyklen. In der modellbasierten Entwicklung wird mithilfe eines interdisziplinären Systemmodells des mechatronischen Systems ein digitaler Zwilling der Maschine oder Anlage erzeugt. Das ermöglicht die gleichzeitige Entwicklung ihrer mechanischen, elektrischen und softwaretechnischen Aspekte. Besonders für große und komplexe Konstruktionen ist dieser Ansatz eine vielversprechende Methodik zur Bewältigung von Herausforderungen in der Produktentwicklung wie Komplexität, Qualität, Zeit und Kosten. Ohne teure Prototypen zu bauen und eventuell zu zerstören können Entwickler nach jedem Entwicklungsschritt anhand des digitalen Zwillings die Erfüllung der Anforderungen überprüfen. Das verhindert, dass suboptimale Lösungsansätze zu lange verfolgt werden und stellt sicher, dass die Anforderungen in kurzer Zeit erfüllt werden können.

Nutzen lässt sich der digitale Zwilling einer Maschine oder Anlage ebenfalls für das Überprüfen und Optimieren der Software während der virtuellen Inbetriebnahme. Die Überprüfung verbessert wesentlich die Softwarequalität zum Installationszeitpunkt. Das reduziert substantiell die vor Ort benötigte Zeit für die Programmierung der echten Anlage während der Inbetriebnahme in der unwirtlichen Umgebung einer Fabrikhalle.

Traditionell am Ende eines Entwicklungszyklus umgesetzt, können erforderliche Softwareanpassungen sehr zeitraubend, stressig und teuer sein. Das modellbasierte Mechatronik-Design (MBMD) kombiniert die virtuelle Inbetriebnahme mit modellbasierter Entwicklung. So erfolgt über sämtliche Entwicklungsphasen hinweg anhand des digitalen Zwillings eine permanente Inbetriebnahme. Die engere Integration aller beteiligten Disziplinen verbessert die bestehenden Entwicklungsprozesse. Diese Methodik unterstützt und ermöglicht die Entwicklung von Produkten mit hervorragender Qualität, die zuverlässig innerhalb kurzer Zeit ihre Anforderungen erfüllen.

„Die modellbasierte mechatronische Entwicklung ist zwar als Forschungsgebiet im akademischen Umfeld etabliert, ihre vielversprechenden theoretischen Ansätze werden jedoch noch nicht auf breiter Basis umgesetzt, speziell in der Konzeptionsphase“, sagt Lukas Weingartner, Forschungsassistent am Institute of Mechatronic Design and Production (IMDP) der Johannes Kepler University (JKU) in Linz. „Es ist deshalb schwierig, greifbare Beispiele für die Lehre zu finden.“ Besonders nützlich wären diese für Ingenieursstudien, deren Absolventen später in der Industrie in Schlüsselpositionen arbeiten und die Zukunft gestalten werden.

„Sag‘ es mir, und ich werde vergessen. Zeig‘ es mir und ich werde mich erinnern. Lass es mich tun und ich werde verstehen.“ Dieser Leitspruch wird Konfuzius zugeschrieben und an der JKU gelebt. „In rein theoretischem Unterricht ist eine erfolgreiche Weitergabe von Wissen über die modellbasierte mechatronische Entwicklung an Studierende und an Ingenieure in Unternehmen kaum zu erreichen“, sagt Dr. Peter Hehenberger, früherer stellvertretender Leiter des IMDP an der JKU und Initiator des MecDesProjekts. „Um die Wissenslücke zwischen theoretischer Wissenschaft und anwendungsorientierter Lehre zu schließen, entwickelten wir mithilfe von SiemensProdukten einen Mechatronic Design Demonstrator (MecDes), der Studierenden die Umsetzung des Gelernten in der Praxis ermöglicht.“

Knowledge transfer from research to education

Modellierung und Simulation: Eine zentrale Aufgabe

Eine zentrale Aufgabe bei der Erstellung einer sämtliche Entwicklungsphasen nahtlos abdeckenden modellbasierten Entwicklungsumgebung ist das Erkennen, Schaffen und formal implementieren sämtlicher bewusst oder unbewusst in der Produktentwicklung verwendeten Modelle. Dazu gehören geometrische und kinematische Modelle ebenso wie die mathematische Beschreibung wichtiger Systemeigenschaften wie das dynamische Verhalten von Maschinen und Anlagen, Aktuator- und Sensormodelle, ein Kommunikationsmodell für die Signalverarbeitung sowie Modelle von Logik und Steuerungsintelligenz, eine Mensch-Maschine-Schnittstelle und eine physikalische Entsprechung des gesamten Produkts oder seiner kritischen Teile.

Das Aktuator- und Sensormodell ist die zentrale Schnittstelle zwischen dem CADModell und der SPS. Mittels eines Blockorientierten Simulationstools definierten die JKU-Mitarbeiter mathematisch die Interaktion zwischen Sensor- und Aktorsignalen und mechanischen Bewegungen. Die Kommunikation findet im MecDes per Ethernet und PROFINET statt.

Modeling and simulation: a central task

Modellbasiert arbeiten mit dem Mechatronics Concept Designer

Mit einem modellbasierten mechatronischen Entwicklungsansatz schufen die Wissenschaftler unter Verwendung von Product Lifecycle Management (PLM) Software von Siemens den digitalen Zwilling eines pneumatischen Bearbeitungszentrums mit automatisiertem internem Materialtransport. Dabei erfolgten Entwicklungsarbeiten in den Disziplinen Mechanik, Elektrotechnik und Software gleichzeitig. Für die modellbasierte Entwicklung der Geometrie- und Kinematikmodelle auf Maschinenebene nutzten sie die Software Mechatronics Concept Designer™ (MCD) als Teil des CADSoftwareportfolios NX™ von Siemens.

„Der Mechatronics Concept Designer unterstützt unseren modellbasierten mechatronischen Ansatz und hilft uns, üblicherweise sequentiell ablaufende Entwicklungsphasen zu synchronisieren oder zu überlappen“, sagt Martin Ahrens, während der Entwicklung des MecDes Forschungsassistent am IMDP. „Ein Systementwickler kann mit dem MCD grobe Blöcke generieren und mit Variablen als Repräsentation der Anforderungsdefinition anreichern.“

Ist zum Beispiel ein Objekt mit bestimmter Größe und Masse innerhalb einer bestimmten Zeit von A nach B zu transportieren, ist es nicht erforderlich, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die später verwendete Antriebstechnik zu definieren. Anhand dieses Modells und der von diesem generierten Daten können Elektro- und Softwareingenieure bereits vor dessen mechanischer Ausdetaillierung für das Dimensionieren ihrer Komponenten, für die Schaltplanerstellung und für das Programmieren grundlegender Softwareroutinen nutzen.

Dieser Ansatz ermöglicht Entwicklern der verschiedenen Disziplinen, ab der Festlegung der wesentlichsten Anforderungen gleichzeitig und gemeinschaftlich zu arbeiten. Das hilft ihnen, schneller und mit höherer Qualität zu entwickeln, verkürzt die Time-to-Market und ermöglicht durch laufende Konzeptüberprüfungen bessere Entscheidungen. „Das gemeinsame Systemmodell dient auch zur Kommunikation zwischen den Entwicklungsdisziplinen“, sagt Professor Dr. Klaus Zeman, Leiter des IMDP an der JKU.

Model-based work using Mechatronics Concept Designer

Parallele Entwicklung und Überprüfung

In jeder Entwicklungsphase der Maschine oder Anlage kann parallel zur Mechanikund Elektrokonstruktion Steuerungscode für die SPS geschrieben und kompiliert werden. Soweit die Anforderungen festgelegt und in Funktionen übersetzt wurden, gilt das auch für Bedienung und Anzeige zur Implementierung auf einem Touchscreen.

Oberhalb der Maschinenebene nutzen die JKU-Wissenschaftler die Lösung Process Simulate aus dem Tecnomatix®- Portfolio von Siemens für die OfflineRoboterprogrammierung und die schnelle Simulation der gesamten Produktionszelle. Um dem MecDes ausreichend Leistungsfähigkeit und Flexibilität für die Simulation ganzer Fabriken mit zahlreichen Zellen zu verleihen, führten sie eine weitere Abstraktionsebene ein. Dazu verwendeten sie Plant Simulation, ebenso Teil des Tecnomatix-Portfolios. „Die Ideen hinter Industrie 4.0 können nur von Wert sein, wenn die zur adaptiven Gestaltung der Produktion verwendeten Methoden frei skalierbar sind“, sagt Weingartner. „Mit Produkten von Siemens PLM Software für die Maschinen-, Zellen- und Fabrikebene konnten wir SPS-Software zur Steuerung von Simulationsmodellen mit voller Skalierbarkeit programmieren.“ Dazu nutzten die Wissenschaftler das Totally Integrated Automation (TIA) Portal, die umfassende Entwicklungsumgebung für die Entwicklung von SIMATIC-Steuerungssoftware.

Concurrent design and verification work

Reale und virtuelle Welt vereint

Der Mechatronics Concept Designer unterstützt die Simulation von EchtzeitKinematikverhalten. Um während der permanenten virtuellen Inbetriebnahme das Zeitverhalten der SPS und der Feldbuskomponenten einzubeziehen, werden die kompilierten Programme von einer echten SPS abgearbeitet. In einer SIMBA Feldbus-Simulationsbox werden die errechneten Signale der Feldbuskomponenten einschließlich ihres Zeitverhaltens im virtuellen Modell emuliert.

Unter Verwendung von Bausteinen eines handelsüblichen Übungsbaukastens baute das Team ein vorbildgerechtes physikalisches Modell mit Kompressor, Pneumatik, Elektromotoren und anderen Aktuatoren, Tastern, Lichtschranken, einer Bohrstation, Förderbändern sowie weiteren Komponenten. Die Steuerungssoftware im MecDes kann wahlweise das Computermodell oder den physikalischen Prototyp antreiben. Ein Schalter für das Wechseln des Arbeitsmodus ermöglicht Softwareentwicklern schnelle Optimierungen. Gesteuert von derselben SPS, können das Softwaremodell und die echte Anlage parallel laufen, sodass Abweichungen vom geplanten Verhalten erkennbar werden.

Als kompakte tragbare Einheit gebaut, lässt sich der MecDes bei Bedarf einfach für Unterrichtszwecke nutzen. Er gibt Mechatronik studierenden und Entwicklern einen tiefen Einblick in mechatronische Entwicklungsmethoden und ein besseres Verständnis von deren Relevanz sowie verbesserte Möglichkeiten, schnell und fehlerfrei zum Entwicklungserfolg zu kommen. Das fördert nicht nur die Identifikation mit der Aufgabe, sondern zeigt auch, dass eine gesamte Entwicklung mehr ist als die Summe ihrer Teile.

Der Mechatronics Concept Designer unterstützt unseren modellbasierten mechatronischen Ansatz und hilft uns, üblicherweise sequentiell ablaufende Entwicklungsphasen zu synchronisieren oder zu überlappen. Ein Systementwickler kann mit dem MCD grobe Blöcke generieren und mit Variablen als Repräsentation der Anforderungsdefinition anreichern.
Martin Ahrens, Ehemaliger Forschungsassistent am Institute of Mechatronic Design and Production
Johannes Kepler Universität